ungestört befreit

Arbeit macht frei von dreisten Gedanken,
so flüchtig sie auch seien, die Leistenden kranken.
Das Kapital trägt nicht was faul und träumt stetig.
Wider der Widrigkeit, erstickt Arbeit sie im Keim.

Anstelle Erkenntnis erkenne Anstellung,
ernenne sie für dich, zur Stelle der Tränkung.
Kein Mensch denkt an morgen, wenn heute schon Sorgen.
So arbeite dich frei, dass der Tag darauf dir günstig sei.

Gott sei dir dein Erwerb, er hat dich berufen
im Dienste nicht zu stören, bezahlt Brot und Kuchen.
Nur wer an Besitz denkt, daran nicht den Witz kennt:
Wo Arbeit dir nur leiht, dort Gedankenreichtum dich befreit.

der listigen Fleißes Leistung Österreichs Neuer Volkspartei gewidmet
von hörprobenlärm (FW), 28.10.20

Haben Sie Kummer?

aus Stefan Wolpes „Massenlieder“ mit einem Text von Siegfried Moos

Haben Sie Kummer, haben Sie Sorgen,
will Ihnen Lehmann nichts mehr borgen:
Bei uns finden Sie eine schönere Welt!
Drei Stunden Vergessen für wenig Geld,
nach dem Sie sich, ach, schon so lange sehnen!
Bei uns gibt es Lachen, bei uns gibt es Tränen.

Immer ran, immer ran an die Kasse!
Unsre Ware ist prima Klasse!
Kommen Sie rein, kommen Sie rein, kommen Sie rein!
Das Theater soll Ihnen Ihr Himmel sein!

Besser als Kintopp, besser als Fusel gibt das Theater sel’gen Dusel.
Mit wenig Moneten verzagen Sie nie!
Die Bühnenstars begeistern auch Sie!
Gerade für Sie sind doch unsere Gaben.
Auch Bildung können Sie bei uns haben!

Immer ran, immer ran an die Kasse!

Unser Theater hat auch Moral,
Raubmord und Totschlag, Liebesqual,
verletzt nie die staatliche Autorität.
Wir achten die Ordnung, die jetzt besteht.
Wir bieten Ihnen das Beste vom Guten.
Nur heitere Stunden (und) ernste Minuten:

Immer ran, immer ran an die Kasse!

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„Haben Sie Kummer“ von Stefan Wolpe

– Gunnar Brandt Sigurdsson (Tenor) begleitet von Johan Bossers (Klavier)

Mein Gewissen erlaubt mir nicht…

Mein Gewissen erlaubt mir nicht, einer Glaubensgemeinschaft anzugehören, die nicht zu verhindern wusste, dass unzählige ihrer Vertreter und Mitglieder oft sogar im Namen und mit dem vorgetäuschten Einverständnis eines ‚gütigen‘ Gottes Jahrhunderte lang ihre Mitmenschen mit dem Hinweis auf die im Himmel zu erwartende Vergeltung für alle auf dieser Welt erduldeten Leiden den Herrschenden und Reichen gefügig machten;

Jahrhunderte lang ihre Mitmenschen…

…mit Bajonetten – aufspießten 
…mit Beilen – vierteilten
…mit Bomben – ausmerzten
…im Feuer – verbrannten –
…am Galgen – erhängten –
…mit Geißeln – zu Tode peitschten –
…mit Gewehren – erschossen –
…mit Giften – vertilgten –
…mit Granaten – zerfetzten –
…dem Hungertod – preisgaben –
…mit Kanonen – niedermetzelten –
…mit Lanzen – durchbohrten –
…lebendig – einmauerten –
…mit Maschinengewehren – niedermähten –
…mit Messern – erstachen –
…mit Napalm – übergossen –
…mit Panzern – zermalmten –
…mit Pfeilen – erlegten –
…mit Pferden – zu Tode schleiften –
…mit Pistolen – abknallten –
…am Rad – zerbrachen –
…am Schafott – enthaupteten –
…mit Schwertern – köpften –
…mit Steinen – erschlugen –
…mit Stricken – erdrosselten –
…wie Tiere – schlachteten –
…zu Tode – quälten –
…im Wasser – ersäuften –
…oder auf andere Weise – ermordeten.

Lasset uns singen, tanzen und springen!

(Werner Pirchner)

„Mein Gewissen erlaubt mir nicht…“ [ab 05:30] von Werner Pirchners „Ein halbes Doppelalbum“ (1973)

Am Ende des Tages ist Dada da, wo wir wahnsinnig werden.

Text von KraftPosts: Am Ende des Tages ist Dada da, wo wir wahnsinnig werden. — KraftPosts

„Anna“ ist von vorne wie von hinten gleich. „Schtzngrm“ rattert wie ein Maschinengewehr. „Kuckuck“ ist ein Vogeltier.
Kurt Schwitters, Ernst Jandl oder Heinz Erhardt haben sich mit Hilfe der Sprache über den alltäglichen Irrsinn erhoben. Christian Morgenstern und Robert Gernhardt haben es ihnen auf ihre Weise gleichgetan. „Dada“ ist da, wo der Wahnsinn kaum mehr zu ertragen ist.
„Trump trampel“ oder der „Adler Horst“ sind die unheimlichen Figuren von heute. „Boris der Rechtsbrecher“ gehört zu ihnen ebenso wie „Kalaschnikow-Lukaschenko“ und „Zar Putin“ oder „Er Du an“ Erdogan.
„B. Scheuer“ ist bescheuert. Wer der Maut traut und dabei Mist baut, wird aber nicht verhaut, selbst wenn sich Ungemach zusamenbraut.
„Einst haben die Kerls auf den Bäumen gehockt.“ Erich Känstner hatte sie mühsam heruntergelockt, doch nun müssen sie wieder hinauf, denn sonst hört das unsägliche Sägen nicht auf. „Danni bleibt“, selbst wenn kein Kästner so was schreibt.
Klimaschützer sind viel weniger nützer für die Industrie. „Von den Bäumen runter, Ihr Affen!“ Klettercops gaffen und schaffen sie zu Boden.
Stickstoff ist Erstickstoff. Autos führen zum Au-Tod. Wald gibt´s nicht mehr bald.
Amazonas ist wie Pommerland bald abgebrannt. Was die Politiker nicht schaffen, das erledigt das Virus. Mein Gott, warum hast Du behauptet, Du hättest „den Menschen“ nach Deinem Bilde geschaffen?

schtzngrmm

schtzngrmm
schtzngrmm
schtzngrmm
t-t-t-t
t-t-t-t
grrrmmmmm
t-t-t-t
s———c———h
tzngrmm
tzngrmm
tzngrmm
grrrmmmmm
schtzn
schtzn
t-t-t-t
t-t-t-t
schtzngrmm
schtzngrmm
tssssssssssssss
grrt
grrrrrt
grrrrrrrrrt
scht
scht
t-t-t-t-t-t-t-t-t-t
scht
tzngrmm
tzngrmm
t-t-t-t-t-t-t-t-t-t
scht
scht
scht
scht
scht
grrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrr
t-tt
(Ernst Jandl, 1957)


	

„An Anna Blume“ (1929) für Klavier und Musika-Clown

Der Komponist Stefan Wolpe (1902-1972)
(Quelle: milkenarchive.org/artists/view/stefan-wolpe)

Stefan Wolpe (1902-1972)
Mit der Teilnahme an den Gesprächsklassen von Ferruccio Busoni in Berlin lernte Stefan Wolpe führende Künstler seiner Zeit kennen und kam so auch in Kontakt mit den Berliner Dadaisten wie mit dem Bauhaus in Weimar. Über Hans Heinz Stuckenschmidt stieß er zudem zur „Berliner Novembergruppe“, einer Künstlervereinigung der auch Komponisten wie Philipp Jarnach, Hanns Eisler und Kurt Weill angehörten. In seinem Schaffen setzte sich Wolpe mit der Musik der Zweiten Wiener Schule und später mit der seriellen Musik auseinander, rezipierte aber ebenso inspiriert den Jazz und Gebrauchsmusik.

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„An Anna Blume“ von Kurt Schwitters (1919) mit Musik von Stefan Wolpe (1929)

Stefan Wolpe vertonte das Gedicht Schwitters, das er als kleine Oper bezeichnete, im März 1929 für Klavier und musikalischen Clown (Tenor), wobei der Komponist mit Zwölftonfeldern arbeitete. Der zu Beginn des Stücks vom Sprecher/Sänger vorgetragene Titel startet in einem Fortissimo und wird, gleich einem auf das Minimum zurückgestellten Lautstärkeregler, auf die letzte Silbe zu einem Pianissimo zusammengezogen und hinter die Hörgrenze verlagert. Diese anfangs gebrachte Exposition des Titels (A..A..B..) weißt auf das Alphabet als ein Anagramm hin, das in Kurt Schwitters Werken des Öfteren seine Verwendung findet und mag von Thomas Plebs gleichsam als Hinweis auf das inhaltliche Programm des Liebesgedichts gedeutet werden: „eine A(n)nagrammatik der Liebe – wie man sie auch dreht oder wendet, ihre Substanz bleibt die gleiche. Die Liebe: Ein anagrammatisches Wandelbares – Ein allumfassenden Anagramm?“
(http://geb.uni-giessen.de/geb/volltexte/2008/6587/)

„An Anna Blume“ von Kurt Schwitters
Umschlag des Gedichtbandes „An Anna Blume“ von Kurt Schwitters (1919)
(Quelle: sdrc.lib.uiowa.edu/dada/Anna_Blume_Dichtungen)

Mit

Gunnar Brandt-Sigurdsson (Tenor) und Johan Bossers (Piano) interpretieren „An Anna Blume“

Die Wiener Schule – eine analytische Betrachtung von Otto Matthäus Zykan

für Mittelschulen konzipierte Analyse von Arnold Schönbergs op. 33a,
Alban Bergs op. 1 und Anton Weberns op. 27

In dem knapp 30-minütigen Lehrfilm vom Dezember 1970, Wolfgang Lesowsky führte Regie, erklärt Otto M. Zykan die Musik der Wiener Schule und bietet durch seine unkompliziert, jedoch auf das Wesentliche des Gegenstandes pointiert angelegte Analyse von Arnold Schönbergs op. 33a, Alban Bergs op. 1 sowie Anton Weberns op. 27 einen unbeschwerlichen Eintritt in die dodekaphonen Klangwelten Schönbergs und seiner prominentesten Schüler.


Unterstützt wird die Unterweisung durch den spielerischen Umgang mit dem Medium des Bildes bzw. durch den effektiven Einsatz des ildmaterials im Film: Die Permutation etwa von Tongruppen oder Zwölftonreihen visualisiert Zykan durch Rotation, Spiegelung und andere Animationseffekte der Bilder im Film. Indem sich die Analyse Zykans Techniken des Films bzw. der Bildbearbeitung zu Nutzen macht bereichert der Komponist seinen Vortrag um ein weiteres Medium zur effektiven Informationsvermittlung.

Anders als die zunächst womöglich ernst und schwer klingende Zwölftonmusik, erwirkt Zykans heiterer, verspielter Umgang mit dem Videomaterial eine Auflockerung des rein musiktheoretischen Gegenstands, was sodann den funktionellen Aspekt des Films als pädagogisches Lehrvideo unterstreicht. Durch den gezielt effektvollen Einsatz medialer Kommunikationswege zum Zwecke pädagogischer Ziele legitimiert der Film seinen ‚gattungsspezifischen‘ Anspruch als ‚Lehrfilm‘.


Otto Matthäus Zykan studierte an der Wiener Musikakademie Klavier und Komposition; letzteres in der berühmten Klasse bei Karl Schiske, der einflussreiche Lehrer einer ganzen Komponisten-generation. Durch die Erstplatzierung beim internationalen Klavierwettbewerb in Darmstadt legte Zykan den Grundstein für eine erfolgreiche Karriere als Pianist und mit der ersten Gesamteinspielung der Klavierwerke Schönbergs gilt er bei jenen, „die das expressive Musizieren vor das Sezieren stellen“, bis heute unübertroffen als maßangebender Interpret dieser Werke. Nachdem diese Ein-spielungen entstanden waren, entschied sich Zykan bald „das Klavierspiel zu beenden“ und sich fortan nur der schöpferischen Tätigkeit zu widmen.
(„Avantgardist und „philharmonischer“ Komponist – Zum Tod von Otto M. Zykan, Magazin der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien, Sept./Okt. 2006)

Foto aus der Ausstellung „Die Welt des Otto M. Zykan“
(© Bezirksmuseum Währing)

»Urschlamm-Idyll«

»UrschlammIdyll«, ‚Prähistorische Ballade‘ von Theodor Vischer (1807-1887) mit Musik von Ludwig Thuille (1861-1907)

Ein Ichthyosaurus sich wälzte
am schlammigen, mulstrigen Sumpf.
Ihm war in der Tiefe der Seele
so säuerlich, saurisch und dumpf.

So dämlich, so zäh und so tranig,
so schwer und so bleiern und stumpf;
Er stürzte sich in das Moorbad
mit platschendem, tappigem Pflumpf.

Da sah er der Ichthyosaurin,
so zart und so rund und so schlank,
ins schmachtende Eidechsenauge,
da ward er vor Liebe krank.

Da zog es ihn hin zu der Holden
durchs klebrige Urweltgemüs,
da ward aus dem Ichthyosauren
der zärtlichste Ichthyosüß.

„Urschlamm-Idyll“ von Ludwig Thuille; gesungen von Rebecca Broberg,

Nicht nur was für Mann und Frau! – Erwin Schulhoffs ‚Sonata Erotica‘

[unfinished] – by F. W.

Der heute weitgehend vergessene Komponist und Pianist Erwin Schulhoff (1894-1942), der im ersten Drittel des 20. Jhs. noch als einer der innovativsten Musikschaffenden seiner Zeit gekührt wurde erfuhr durch seine Zeit-genossen rege, teils auch scharfe Kritik, die nicht zuletzt auch Antwort auf die bewusst radikale Positionierung des Komponisten zur historisch etablierten klassischen Musiktradition des europäischen Kontinents war. Die im Zuge der Moderne aufkommenden stilistischen Tendenzen, die sich auch in Schulhoffs Kompositionen zu ent-falten begonnen hatten, gaben dem nationalsozialistischem Regime bekanntlich ausreichend Gründe, die Musik Schulhoffs als „entartet“ zu deklarieren und weitere Aufführung seiner Werke zu verbieten. Nachdem der in Prag lebende Komponist im Jahr 1941 letztlich von den einfallenden Nationalsozialisten interniert und in das Lager für Bürger anderer Staaten auf der Würzburg bei Weißenburg/Bayern deportiert worden war, verstarb er dort bald ein Jahr später an Tuberkulose.

Erwin Schulhoff, Holzstich von Conrad Felixmüller, 1924
Erwin Schulhoff und die Choreografin Milča Mayerová, 1931

Mit Ende des Ersten Weltkrieges sah sich Erwin Schulhoff mit traumatischen Erlebnissen der vergangen Jahre konfrontiert, die zur Konsequenz hatten, dass der Komponist sich neuen ästhetischen Überlegungen zuwandte. Zunehmend sprach er sich dafür aus, von einer Tradition des „falschen Pathos“ und der „Decadenz“ abzulassen und fortan neue Möglichkeiten des künstlerischen Schaffens zu ergründen.
Schulhoffs Musik zeichnet sich durch kompositorische Vielfältigkeit, stilistische Gegensätze wie auch durch Widersprüchlichkeiten aus, was sich in den Werken aus ästhetisch unterschiedlich gesinnten Lebensphasen manifestiert. Mit Anbruch der 1920er Jahre fand Schulhoff Inspiration bei den Dadaisten und suchte musikalische Vorbilder “auch im Trivialen und Primitiven“. Nach seiner Dada-Phase komponierte er hauptsächlich Werke, die
im Geist des Sozialistischen Realismus entstanden, wie etwa die Kantate auf das „Kommunistische Manifest“‚. Gegen Ende seines Lebens wandte sich Schulhoff wieder klassischen Musikformen zu, innerhalb welcher er aber mit Jazz und Folklore experimentierte und spielte. „Schulhoff war ein Idiosynkrat, wendete sich dem Neoklassizismus zu, dem Kommunismus, der Populärmusik, der Auseinandersetzung mit Weiblichkeit und Sexualität.“
(Shaya Feldmann im Gespräch über Erwin Schulhoff; https://jungle.world/artikel/2017/40/verlust-von)

Sonata Erotica, für Solo-Muttertrompete (1919) – performt von Loes Luca mit der Ebony Band im April 2013 in Amsterdam

Sonata erotica

Lied vom achten Elefanten

aus „Der gute Mensch von Sezuan“ von Bertolt Brecht, Musik von Paul Dessau.

Sieben Elefanten hatte Herr Dschin
und war dann noch der achte.
Sieben waren wild und der achte war zahm
und der achte war’s der sie bewachte.

Trabt schneller! Trabt schneller!
Herr Dschin hat einen Wald
der muss vor Nacht gerodet sein
und Nacht ist jetzt schon bald!

Sieben Elefanten roden den Wald
und Herr Dschin ritt hoch auf dem achten.
All den Tag Nummer acht stand hoch auf der Wacht
Und sah zu, was sie hinter sich brachten.

Grabt schneller! Grabt schneller!
Herr Dschin hat einen Wald
der muss vor Nacht gerodet sein
und Nacht ist jetzt schon bald!

Sieben Elefanten wollten nicht mehr
hatten satt das Bäumeabschlachten.
Herr Dschin war nervös, auf die sieben war er bös
und gab ein Schaff Reis dem achten.

Was soll das? Was soll das?
Herr Dschin hat einen Wald
der muss vor Nacht gerodet sein
und Nacht ist jetzt schon bald!

Sieben Elefanten hatten keinen Zahn
seinen Zahn hatte nur noch der achte.
Und Nummer acht war vorhanden, schlug die sieben zuschanden
und Herr Dschin stand dahinten und lachte.

Grabt weiter! Grabt weiter!
Herr Dschin hat einen Wald
der muss vor Nacht gerodet sein
und Nacht ist jetzt schon bald!