so geschmeidig und wild: Rudi Stephans Pantherlied

Rudi Stephan (1887-1915)

aus Ich will dir singen ein Hohelied
Sechs Lieder auf Gedichte von Gerda von Robertus (Gertrud von Schlieben)

Matrosen-Tango aus „Happy End“ von Weill & Brecht

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_(https://kuenste-im-exil.de/KIE/Content/DE/Objekte/dolbin-zeichnung-brecht-weill.html?single=1)

_Kurt Weill und Bertolt Brecht
....Zeichnung von Fred Dolbin, vermutlich 1935.

Hallo, jetzt fahren wir nach Birma hinüber.
Whisky haben wir ja noch genügend dabei
und Zigarren rauchen wir, „Henry Clay“,
und die Mädels sind mir ja auch schon über
na, da sind wir eben jetzt so frei –
ja, da sind wir eben jetzt so frei!
Denn andere Zigarren, die rauchen wir nicht
und weiter wie Birma, reicht dem Kasten der Rauch nicht
und einen lieben Gott, den brauchen wir nicht
und einen Anstand, den brauchen wir auch nicht –
Na also, good-bye!
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Und das segelt so hin – und das kommt auch mal an
und ein lieber Gott lässt sich nicht blicken
und dem lieben Gott, dem liegt vielleicht auch gar nichts daran
na und wenn, dann muss er sich drein schicken –
Na also, good-bye!
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Mit „Mensch bei mir nicht!“ und „Na wat denn, mein Sohn!“
und „Fehlt’s wo, dann lass mich’s mal wissen!“
Und ’ne feinere Regung nicht um ’ne Million –
Da wird eben auf alles gepfiffen
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Ja das Meer ist blau, so blau
und das geht alles seinen Gang
und wenn die Chose aus ist
dann fängt’s von vorne an –
Ja das Meer ist blau, so blau
und das geht ja auch noch lang!
Ja das Meer ist blau, so blau
das Meer ist blau.
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Hallo, da könnten wir zum Beispiel mal ins Kino gehn,
das kostet Geld das hat doch kein Gewicht.
Ja graue Harre wachsen lassen wir uns nicht.
Leute wie wir, die müssen sich auch mal amüsieren.
Denn für sie, da gibt es keine Pflicht.
Zigarren unter fünf Cents, die rauchen wir nicht
und Schwarzbrot verträgt doch ihr Bauch nicht,
und für’s andere sorgen, das brauchen sie nicht
und mal in sich gehen, brauchen die auch nicht,
das hat sein Gewicht.
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Und das lebt so dahin – und das stellt sowas an
und ein lieber Gott lässt sich nicht blicken,
und dem lieben Gott, dem liegt vielleicht auch gar nichts daran
und wenn, dann muss er sich drein schicken –
Na also, good-bye!
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Mit „Mensch bei mir nicht!“ und „Na wat denn, mein Sohn!“
und „Fehlt’s wo, dann lass mich’s mal wissen!“
Und ’ne feinere Regung nicht um ’ne Million –
Da wird eben auf alles gepfiffen
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Ja das Meer ist blau, so blau
und das geht alles seinen Gang
und wenn die Chose aus ist
dann fängt’s von vorne an –
Ja das Meer ist blau, so blau
und das geht ja auch noch lang!
Ja das Meer ist blau, so blau
das Meer ist blau.
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Jetzt braucht da nur einmal ein Sturm zu kommen
na ja, da ist’s ja schon das Dock von Birma –
Halt du, das ist doch nur ’ne schwarze Wolkenwand
Mensch und die Wellen, ’s ist ja allerhand!
Mensch, das verschlingt uns ja die ganze Firma –
Ja, da sind wir jetzt glatt am Rand
ja, da sind wir eben jetzt am Rand!
Bald sinkt das Schiff zu Grund, das Meer geht drüber
Und die versunken sind, sieht nur der Hai im See –
Da hilft kein Whisky mehr und keine „Henry Clay“!
Wo’s jetzt hingeht, da geht kein Mädchen mehr mit rüber –
Ja, da heißt’s auf einmal jetzt, good-bye!
Ja, da heißt es enen jetzt, good-bye!
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Und das Wasser, das steigt, und das Schiff, das versinkt
und ein rettender Strand lässt sich nicht blicken.
Nur ein Schiff, das nicht schwimmt, nur ein Strand, der nicht winkt,
na, da muss jeder sich dreinschicken –
na also, good-bye!
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Da hört man auf einmal keine großen Reden mehr
da sind sie auf einmal alle ganz klein
da plappern sie plötzlich alle ein Vaterunser her
da will’s plötzlich keiner mehr gewesen sein!
denn jetzt ist’s vorbei.
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Und jetzt will ich mal was sagen: Das kennen wir schon!
Da wird ein Leben lang das Maul aufgerissen
und steht so was dann vor Gottes Thron
dann wird in die Hosen geschissen.
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Ja das Meer ist blau, so blau
und das geht alles seinen Gang
und wenn die Chose aus ist
dann fängt’s von vorne an –
Ja das Meer ist blau, so blau
und das geht auch nicht mehr lang!
Ja das Meer ist blau, so blau
das Meer ist blau.

Elegien, Chansons und Songs: „Leben in dieser Zeit“

Elegie in Sachen Wald

Die Jahreszeiten wandern durch die Wälder.
Man sieht es nicht.
Man liest es nur im Blatt.
Die Jahreszeiten wandern durch die Felder.
Man zählt die Stunden.
Und man zählt die Gelder.
Man möchte sich fort aus dem Geschrei der Stadt.

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Der Blumentopf am Fenster ist dir näher.
Nimm ein Vergrößerungsglas,
dann wird’s ein Wald.
Was kann man and’res tun als Europäer.
Die Stadt ist groß, die Stadt ist groß
und klein, klein ist dein Gehalt.

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Das Dächermeer schlägt ziegelrote Wellen.
Die Luft ist dick und wie aus grauem Tuch.
Man träumt von Äckern und von Pferdeställen.
Man träumt von Teichen, Bächen und Forellen.
Man möchte in die Stille zu Besuch.

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Der Blumentopf am Fenster ist dir näher.
Nimm ein Vergrößerungsglas,
dann wird’s ein Wald.
Was kann man and’res tun als Europäer.
Die Stadt ist groß, die Stadt ist groß
und klein, klein ist dein Gehalt.


Das Chanson für Hochwohlgeborene

Sie sitzen in den Grandhotels!
Ringsum sind Eis und Schnee.
Ringsum sind Berg und Wald und Fels.
Sie sitzen in den Grandhotels
und trinken immer Tee.
Und trinken immer Tee.


Sie haben ihren Smoking an.
Im Walde klirrt der Frost.
Ein kleines Reh hüpft durch den Tann.
Sie haben ihren Smoking an
und lauern auf die Post.
Und lauern auf die Post.

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Sie schwärmen sehr für die Natur
und heben den Verkehr.
Sie schwärmen sehr für die Natur
und kennen die Umgebung nur
von Ansichtskarten her.
Von Ansichtskarten her.


Der Song „Man müßte wieder…“

Man müßte wieder durch den Stadtpark laufen
mit einem Mädchen, das nach Hause muß
und küssen will und Angst hat vor dem Kuß.
Man müßte ihr und sich vor Ladenschluß
um zwei Mark fünfzig ein paar Ringe kaufen.
Man müßte wieder nachts am Fenster stehn
und auf die Stimmen der Passanten hören,
wenn sie den leisen Schlaf der Straßen stören.
Man müßte sich, wenn einer lügt, empören.
Und ihm fünf Tage aus dem Wege gehn.
Man müßte wieder seltne Blumen pressen
und auf dem Schulweg ohne Sorgen schrein.
Man müßte wieder sechzehn Jahre sein
und alles, was seitdem geschah, vergessen.

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Man würde wieder seiner Mutter schmeicheln,
weil man zum Jahrmarkt ein paar Groschen braucht.
Man sähe dann den Mann, der lange taucht,
und einen Affen, der Zigarren raucht,
und ließe sich von Riesendamen streicheln.
Man ließe sich von einer Frau verführen
und dächte stets: Das ist Herrn Nußbaums Braut!
Man spürte ihre Hände auf der Haut.
Das Herz im Leibe schlüge hart und laut,
als schlügen nachts im Elternhaus die Türen.
Man müßte wieder roten Pudding essen
und schliefe abends ohne Sorgen ein.
Man müßte wieder sechzehn Jahre sein
und alles, was seitdem geschah, vergessen.