Elegien, Chansons und Songs: „Leben in dieser Zeit“

Elegie in Sachen Wald

Die Jahreszeiten wandern durch die Wälder.
Man sieht es nicht.
Man liest es nur im Blatt.
Die Jahreszeiten wandern durch die Felder.
Man zählt die Stunden.
Und man zählt die Gelder.
Man möchte sich fort aus dem Geschrei der Stadt.

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Der Blumentopf am Fenster ist dir näher.
Nimm ein Vergrößerungsglas,
dann wird’s ein Wald.
Was kann man and’res tun als Europäer.
Die Stadt ist groß, die Stadt ist groß
und klein, klein ist dein Gehalt.

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Das Dächermeer schlägt ziegelrote Wellen.
Die Luft ist dick und wie aus grauem Tuch.
Man träumt von Äckern und von Pferdeställen.
Man träumt von Teichen, Bächen und Forellen.
Man möchte in die Stille zu Besuch.

x
Der Blumentopf am Fenster ist dir näher.
Nimm ein Vergrößerungsglas,
dann wird’s ein Wald.
Was kann man and’res tun als Europäer.
Die Stadt ist groß, die Stadt ist groß
und klein, klein ist dein Gehalt.


Das Chanson für Hochwohlgeborene

Sie sitzen in den Grandhotels!
Ringsum sind Eis und Schnee.
Ringsum sind Berg und Wald und Fels.
Sie sitzen in den Grandhotels
und trinken immer Tee.
Und trinken immer Tee.


Sie haben ihren Smoking an.
Im Walde klirrt der Frost.
Ein kleines Reh hüpft durch den Tann.
Sie haben ihren Smoking an
und lauern auf die Post.
Und lauern auf die Post.

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Sie schwärmen sehr für die Natur
und heben den Verkehr.
Sie schwärmen sehr für die Natur
und kennen die Umgebung nur
von Ansichtskarten her.
Von Ansichtskarten her.


Der Song „Man müßte wieder…“

Man müßte wieder durch den Stadtpark laufen
mit einem Mädchen, das nach Hause muß
und küssen will und Angst hat vor dem Kuß.
Man müßte ihr und sich vor Ladenschluß
um zwei Mark fünfzig ein paar Ringe kaufen.
Man müßte wieder nachts am Fenster stehn
und auf die Stimmen der Passanten hören,
wenn sie den leisen Schlaf der Straßen stören.
Man müßte sich, wenn einer lügt, empören.
Und ihm fünf Tage aus dem Wege gehn.
Man müßte wieder seltne Blumen pressen
und auf dem Schulweg ohne Sorgen schrein.
Man müßte wieder sechzehn Jahre sein
und alles, was seitdem geschah, vergessen.

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Man würde wieder seiner Mutter schmeicheln,
weil man zum Jahrmarkt ein paar Groschen braucht.
Man sähe dann den Mann, der lange taucht,
und einen Affen, der Zigarren raucht,
und ließe sich von Riesendamen streicheln.
Man ließe sich von einer Frau verführen
und dächte stets: Das ist Herrn Nußbaums Braut!
Man spürte ihre Hände auf der Haut.
Das Herz im Leibe schlüge hart und laut,
als schlügen nachts im Elternhaus die Türen.
Man müßte wieder roten Pudding essen
und schliefe abends ohne Sorgen ein.
Man müßte wieder sechzehn Jahre sein
und alles, was seitdem geschah, vergessen.



Lied vom achten Elefanten

aus „Der gute Mensch von Sezuan“ von Bertolt Brecht, Musik von Paul Dessau.

Sieben Elefanten hatte Herr Dschin
und war dann noch der achte.
Sieben waren wild und der achte war zahm
und der achte war’s der sie bewachte.

Trabt schneller! Trabt schneller!
Herr Dschin hat einen Wald
der muss vor Nacht gerodet sein
und Nacht ist jetzt schon bald!

Sieben Elefanten roden den Wald
und Herr Dschin ritt hoch auf dem achten.
All den Tag Nummer acht stand hoch auf der Wacht
Und sah zu, was sie hinter sich brachten.

Grabt schneller! Grabt schneller!
Herr Dschin hat einen Wald
der muss vor Nacht gerodet sein
und Nacht ist jetzt schon bald!

Sieben Elefanten wollten nicht mehr
hatten satt das Bäumeabschlachten.
Herr Dschin war nervös, auf die sieben war er bös
und gab ein Schaff Reis dem achten.

Was soll das? Was soll das?
Herr Dschin hat einen Wald
der muss vor Nacht gerodet sein
und Nacht ist jetzt schon bald!

Sieben Elefanten hatten keinen Zahn
seinen Zahn hatte nur noch der achte.
Und Nummer acht war vorhanden, schlug die sieben zuschanden
und Herr Dschin stand dahinten und lachte.

Grabt weiter! Grabt weiter!
Herr Dschin hat einen Wald
der muss vor Nacht gerodet sein
und Nacht ist jetzt schon bald!